Vortrag Rainer Blaschke "Zwicklbleame"


Bayerbach. Warum ausgerechnet „Zwickelbleame“ helfen können, erläuterte Rainer Blaschke vom Landschaftspflegeverband in einem viel beachteten Vortrag vor den versammelten Obst- und Gartenbauvereinen des Landkreises. Keine Angst, nein – es geht hier nicht um eine neue Art, die dem geneigten Leser, der möglicherweise selbst eingefleischter „Gartler“ ist, bis dato entgangen wäre. Vielmehr geht es bei der Aktion „Zwickelbleame“ um ein ganz einfaches Motto: „Weil's jeder kann“.

2010 wurde der Landschaftspflegeverband eingerichtet, erinnerte Blaschke. Viel sei seitdem passiert. „Eine spannende Zeit“, sagt er selbst und macht auch gleich deutlich, wo die Reise hingehen muss: „Wir brauchen Vernetzungen, wir brauchen die Zwischenflächen“. Damit sei viel zu machen für die Artenvielfalt. Die Lanschaft sei einem steten Wandel unterworfen. Das machte er an der Entwicklung der Urlandschaft – lautere Wald – bis zur Kulturlandschaft heutiger Prägung deutlich. Erst vor rund 300 Jahren sei das „Mosaik“ entstanden, das wir heute kennen. Ein Skizzenbuch von Franz Xaver Zattler liefere da wertvolle Erkenntnisse. Den höchsten Stand an Artenvielfalt datiert Blaschke übrigens auf das ausgehende 18. Jahrhundert. Fieberklee, Orchideenarten wie Knabenkräuter, Wollgras und vieles mehr stehe heute teils bereits auf der „Roten Liste“ und sei vom Verschwinden bedroht. Blaschke wollte bei seinem Vortrag den Fokus bewusst weg von der Honigbiene lenken – der gehe es recht gut. Aber es gibt alleine über 500 Wildbienenarten und 2000 verschiedene Schmetterlingsarten in Bayern. Auch Amphibien wie der Laubfrosch oder Kiebitze seien stark rückläufig, betonte er. Erfreuliches gibt es auch zu berichten: Der Eisvogel ist stabil, der Schwarzstorch zählt zu den Rückkehrern. Das aktuelle Problem rund um das Artensterben will Blaschke keinesfalls alleine der Landwirtschaft zuschieben. „Entwicklungen sind geprägt von dem, was eine Gesellschaft will. Es entstehen Bedürfnisse, die über die Landschaft abgedeckt werden müssen“, sagte er mit Verweis auf Beispiele wie die Flurbereinigung und eben darauf, dass es sich demzufolge auch um ein gesamtgesellschaftliches Problem handle. Bis in die Privathaushalte hinein reicht das. Für manchen Garten wünsche er sich ein „Mähroboter-Abwehrspray“, formulierte es aber auch gleich positiv: „Gärten können ein wichtiger Hort für die Artenvielfalt sein“. Derzeit aber verliere man an Biodiversität „Im Wald sehen wir ja, was passiert, wenn man nur noch auf eine Art setzt“, meinte er zum Fichtensterben durch den Käferbefall. Damit einher gehe ein Verlust an Lebensqualität, gepaart mit Erosions- und Gewässerproblematiken und vielem mehr. Sehr zuversichtlich zeigte er sich aufgrund der vielen Individualisten. „Gott sei Dank gibt es sie“, freute sich Rainer Blaschke und zeigte Bilder von etlichen Maßnahmen, wo es zum Beispiel darum ging, autochtone Stauden anzulegen. Ziel ist es dabei, die Gewächse an ihren Naturstandort zu bringen. Auch andere Renaturierungsmaßnahmen zeigte er, bis hin zur Anlage von Laichgewässern für Amphibien. Es sei der Versuch, über solche Maßnahmen Punkte in der Landschaft zu setzen. Offenbar mit Erfolg, wie eine Grafik dazu zeigte. Über ein Projekt freute er sich besonders: 2020 wird es in Zusammenarbeit mit einem Landwirt eine Beweidung auf einer Landschaftspflegefläche des Landkreises geben. „Das ist eine Symbiose mit den Direktvermarktern“, sagte Rainer Blaschke. Die Flächen würden extensiv bewirtschaftet, es entstehe ein tolles Produkt und alles in allem sei es sehr gut für die Insekten. Gute Zahlen hatte er auch darüber hinaus parat. Über 300 Obstbäume würden über den Landschaftspflegeverband in Zusammenarbeit mit Privaten gepflanzt, mehr als 6000 Hecken angelegt. Auch die Zusammenarbeit mit den Kommunen sei sehr gut. Eine schöne Entwicklung gebe es beim Dorfwiesenprojekt. „Wir sind hier seit heuer am Limit“, erklärte Blaschke. Der wichtigste Teil dabei: „Wir müssen den Kindern zeigen, was es gibt“. Viele Menschen wüssten das nämlich gar nicht mehr. Wichtig ist die Ausgabe von Regiosaatgut. Pro Person werde bis zu einem Kilo zur Verfügung für eine artenreiche Wiese gestellt. „Für Insekten und die ganze heimische Fauna ist das das Allerbeste“, sagte Blaschke. Er machte deutlich, dass eine „Blühmischung“ keine Wiese ist. Mit mancher fremden Blume könnten heimische Insekten gar nichts anfangen. Große Potentiale sieht Rainer Blaschke in „Eh-Da-Flächen“ - Randstreifen, Überbleibsel - „Zwickel“ eben. Diese zu nutzen, sei ebenso günstig, schnell und einfach. „Manchmal ist gschlampert einfacher – und für die Natur besser“, so sein Fazit. Darüber hinaus zeigte er viele weitere Möglichkeiten auf. Wichtig: „Wir sollten nicht als Besserwisser auftreten, sondern mit den Kommunen vor Ort gemeinsam Lösungen erarbeiten“. Auch die Landwirtschaft will er mit einbeziehen. Das Ziel sind Demo-Betriebe im sinne einer insektenfreundlichen Landwirtschaft. Rainer Blaschke freute sich über die gute Zusammenarbeit mit dem Theater an der Rott („Klassenzimmerstück“) und lobte ausdrücklich die Aktivitäten der Kreisentwicklung um Waldemar Herfellner im Bereich „Unterer Inn“. „Ich bin optimistisch, dass wir miteinander etwas reißen, weil es ein sehr großes Miteinander ist“, lautete sein Ausblick. -vg

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